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Änderung des Abzinsungssatzes und Entschädigung bei Personenschäden

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Im Vereinigten Königreich ist seit März 2017 der neue Abzinsungssatz in Kraft, der auf Entschädigungen bei Personenschäden anzuwenden ist. Der Abzinsungssatz sank deutlich von 2,5 % auf -0,75 %. In diesem Blog erörtern wir die Hintergründe dieser Änderung, die potenziell drastischen Auswirkungen auf die Schadenreserven sowie die Frage, wie man einen gerechteren Rahmen schaffen könnte.

Der Abzinsungssatz wird bei der Schadenregulierung für Schwerverletzte auf künftige Schadenkosten angewendet. Dies bedeutet, dass im Voraus erhaltene Entschädigungssummen investiert werden müssen, um eine Rendite zu erwirtschaften. Der Abzinsungssatz bestimmt die Höhe des anzuwendenden Abschlags, basierend auf der Rendite, die eine Person mit einer solchen Investition vernünftigerweise erzielen kann. Dadurch soll eine Überentschädigung verhindert werden.

 

Entscheidung zur Änderung des Satzes

Der Satz blieb seit der letzten Aktualisierung im Jahr 2001 unverändert (2,5 %). Der neue Wert von -0,75 % basiert auf der dreijährigen Rendite aus Index Linked Gilts * (ILGs). Dies deutet darauf hin, dass Anspruchsteller „risikoscheue“ Anleger sind, und ignoriert die Tatsache, dass Anspruchsteller nicht nur in ILGs investieren würden.

[* Index Linked Gilts sind Staatsanleihen, die an den Einzelhandelspreisindex gekoppelt sind]

 

Auswirkungen auf zukünftige Schadenkosten

Eine derart drastische Senkung haben die Versicherer nicht vorhergesehen. Die Senkung des Abzinsungssatzes wird den Schadenersatz für Anspruchsteller, die zukünftige Schadenersatzzahlungen erhalten, drastisch erhöhen. Dies betrifft natürlich nicht nur den Bereich der Sach- und Personenschäden, sondern z. B. auch den britischen National Health Service (NHS) – und in der Tat jede Partei, die für Personenschäden haftbar gemacht werden kann.

Abhängig von der Lebenserwartung des Anspruchstellers wird der geänderte Abzinsungssatz zu einer drastischen Erhöhung der zukünftigen Schadenersatzzahlungen führen. Bei einem Anspruchsteller mit einer Lebenserwartung von weiteren 15-30 Jahren können die zukünftigen Schadenersatzzahlungen um bis zu 30 % steigen – bei einer Lebenserwartung von weiteren 30-50 Jahren sogar um bis zu 50 %.

 

Periodische Zahlungen oder Pauschalzahlungen

Eine weitere Folge der Änderung könnte sein, dass sich die Einstellung der Anspruchsteller ändert. Infolge des Anstiegs künftiger Schadenersatzzahlungen könnten sich Anspruchsteller für Pauschalzahlungen und nicht für periodische Zahlungen entscheiden. Diese Änderung betrifft insbesondere den NHS und andere öffentliche Stellen, die den Großteil der hohen Schadenkosten durch regelmäßige Zahlungen finanzieren. Was den Versicherungsmarkt anbelangt, so werden die Gewinne der Versicherer beeinträchtigt, und die Prämien könnten steigen. Dies könnte die Whiplash-Reform zunichtemachen, die zu geringeren Schadenkosten und Prämien führen sollte….

 

Abzinsungssatz auf dem Prüfstand

Es scheint, dass das britische Justizministerium (MoJ) in seiner auf die Konsultation folgenden Antwort akzeptiert, dass der neue Satz von -0,75 % zu einer Überentschädigung von Anspruchstellern mit Personenschäden führt. Die Annahmen hinsichtlich der Art und Weise, wie Anspruchsteller ihr Geld anlegen, sind unrealistisch und können zu deutlich höheren Prämien führen. Zur Änderung des geltenden Rechts werden neue Rechtsvorschriften eingeführt, die einen Satz zwischen 0 % und 1 % vorsehen. Dieser Satz wird jedoch nicht rückwirkend angewendet, und die Änderung wird voraussichtlich erst in 2019 in Kraft treten.

Es sei darauf hingewiesen, dass das schottische Parlament verpflichtet ist, eine gesonderte Gesetzgebung einzuführen, um den Abzinsungssatz in Schottland zu ändern.

 

Optionen nach geltendem Recht

In der Zwischenzeit werden Anspruchsteller von höheren Prämien oder einer eventuellen Überentschädigung profitieren. Die Anwälte von Anspruchstellern werden darauf drängen, dass ihre Fälle auf die Terminliste für Verhandlungen gesetzt werden, bevor eine Änderung eingeführt wird.

Es ist jedoch zu bedenken, dass die britischen Gerichte bereits nach Unterabsatz 1(2) des Damages Act 1996 über einen Ermessensspielraum verfügen, um einen anderen (Abzinsungs-)Ertragssatz anzuwenden, „wenn ein Verfahrensbeteiligter nachweist, dass dieser Satz in dem betreffenden Fall angemessener wäre“. In der Praxis ist ein anderer Satz am wahrscheinlichsten, wenn der Anspruchsteller außerhalb des Vereinigten Königreichs lebt und dort betreut wird. Der Anspruchsteller wird Pauschalbeträge, zukünftige Schadenkosten und Entschädigungszahlungen vor Ort investieren.

Darüber hinaus haben sowohl Anspruchsteller als auch Versicherer angesichts der erwarteten Reformen die Möglichkeit, im Verhandlungsprozess zur Regulierung eines Schadens zu versuchen, Vereinbarungen auf Basis eines Satzes zwischen 0 % bis 1 % zu erzielen, unabhängig vom aktuellen Satz von -0,75 %.

Die weiteren Entwicklungen und Strategien werden in den kommenden Monaten intensiv verfolgt und hier veröffentlicht.

Abhängig von der Lebenserwartung des Anspruchstellers wird der geänderte Abzinsungssatz zu einer drastischen Erhöhung der zukünftigen Schadenersatzzahlungen führen.

Paul Lavelle

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